Kynologie

Einteilung dieser Seite:

  1. Allgemeine Einleitung in das Thema "Kynologie"
  2. Halter, Züchter und Schlittenhundesportler
  3. Klubfunktionär, Vereinstätigkeiten, Ausstellungsrichter und anderes
  4. Wissenschaftliche Tätigkeit

1. Allgemeine Einleitung in das Thema "Kynologie"

„Kynologie“ ist eigentlich die „Lehre vom Hund“. „Kynologe“ ist jedoch keine geschützte Be­rufsbezeichnung. Es gibt auch nirgends einen Lehrstuhl für Kynologie, wohl aber Wissen­schaftler mit kynologischer Schwerpunktsetzung. Daneben gibt es jedoch viele Menschen, die sich als nicht-Wissenschaftler mit „Kynologie“ beschäftigen und sich als „Kynologen“ be­zeichnen, beispielsweise allein aufgrund von praktischen Erfahrungen mit Hunden. Das ist nicht weiter problematisch so lange man sich klar ist, dass  Aussagen, die auf einer na­turwissenschaftlichen Untersuchung beruhen oder  Theorien, die auf naturwissenschaftli­chen Prinzipien und Grundlagen beruhen, anders zu werten sind, als Hypothesen, Vermutun­gen, Ideen und "Theorien", die auf Spontaneinfällen, Gedankenspielereien oder Aussagen, die auf Einzelbeobachtungen oder auf Anekdoten beruhen und die nicht wissenschaftlich über­prüft worden sind.

 

Ich habe im Verlaufe meines Studiums das naturwissenschaftliche Handwerk gelernt und weiss sehr wohl, was ich über Hunde sehe, lese und höre entsprechend einzuordnen und zu gewichten. Ich weiss aber auch, nicht zuletzt aus eigener Erfahrung, dass man sich im prak­tischen Umgang mit dem Hund ebenfalls einiges Wissen über dieses Tier aneignen kann. Ich weiss deshalb also sehr wohl auch das Wissen guter Hundepraktiker zu schätzen und anzuerkennen. Irgendwelchen Aussagen, Lehrmeinungen und Theorien, die jedoch auf beliebige Beobachtungen im praktischen Umgang mit dem Hund und auf Interpretationen zurückgehen, die naturwissenschaftlich nicht zu begründen, naturwissenschaftlich nicht haltbar und naturwissenschaftlich nicht überprüft worden sind, begegne ich mit der entsprechenden Skepsis. Es gibt viele solche „kynologischen Weisheiten“ und Interpretationen des hundlichen Wesens und Verhaltens, die, um mit Dr. Hans Räber zu sprechen, „dorthin gestellt werden müssen, wo sie hingehören, nämlich in die Rumpelkammer“. In der heutigen Zeit tauchen auch immer wieder eigentliche „Hundegurus“ auf, welche irgend eine neue, exklusive Ausbildungsmethodik propagieren oder einen „revolutionären“, neuen Umgang mit dem Hund predigen, und alles Bisherige mit Häme überschütten. Bei genauerer Analyse ihrer Ansichten und Meinungen, stellt man jedoch fest, dass es sich fast immer um „alten Wein in neuen Schläuchen“ handelt, d.h. um eigene Anwendungen oder Interpretationen bekannten Wissens in Bezug auf Verhaltensbiologie (Ethologie) und Biologie sowie Lernpsychologie (Lerntheorie) allgemein oder in Bezug auf den Haushund. Und nicht immer sind ihre Interpretationen haltbar und richtig.

 

Dazu zwei passende Aussagen von Dr. Dorit Feddersen:

  • Das Leben mit Hunden wird ideologisch verbrämt; zu viele „einzig wahre Methoden“ oder „Patentrezepte“ des Umgangs mit ihnen verwirren den hilfesuchenden Hundehalter. Es gibt auch für mich weder „einzig wahre Methoden“ noch „Trickkisten“ mit Hunden. Wie denn auch ? Hunde verändern ihr Verhalten, so wie es eine bestimmte Situation erfordert, ihr Verhalten ist höchst variabel, aber es gibt nichts Geheimnisvolles um die Kommunikation mit Hunden und das Hundetraining. Ehrgeizige Autoritätsansprüche in puncto „moderne Hundekonditionierung“ hemmen letztendlich unser aller Zusammensein mit Hunden durch unnötige Rivalitäten und verunsichern die Hundehalter. Erfahrungsaustausch und Diskussionen unter Verhaltenstherapeuten, Trainern, Ethologen und anderen Spezialisten, die sich mit dem Hund befassen, bringen weiter.
  • Eine wichtige Voraussetzung für jede Anwendung oder Umsetzung theoretischen Wissens, ist die Vermeidung des Wörtchens „weil“ bei der Beobachtung hundlichen Verhaltens, also die implizite und unmittelbare Deutung, die vorurteilsfreies Beobachten und Lernen zum vornherein vereitelt. Wichtig ist Offenheit für die Beobachtung, die Freude daran und die Gewissheit, wahrlich nicht alles zu wissen, sich weiterhin mit Hunden zu beschäftigen und von ihnen lernen zu wollen. Was einmal in einem situativen Kontext gesehen wurde, sagt ja nichts über all die anderen möglichen Ursachen und Funktionen einer bestimmten oder ähnlichen Verhaltensweise.

Auch ich frage mich immer wieder beim Beobachten meines Hundes „Warum oder wozu macht er jetzt das ?“ und hüte mich stets davor eine voreilige Antwort zu geben. Sie könnte nämlich völlig unrichtig sein.

 

Ich werde im Folgenden also keine neue, „bahnbrechende“ Theorie über die Herkunft, das Wesen oder den Umgang mit dem Hund vorstellen, um mich damit der langen Reihe der „Hundegurus“ anzuschliessen, die, wie angedeutet, heute fast wie Pilze aus dem Boden schiessen, sondern zeigen, auf welchem Weg ich mir das Wissen über diesen faszinierenden Vierbeiner angeeignet habe und weiterhin aneigne und wie es dazu gekommen ist, dass ich, wie oben dargestellt, nicht alles, was ich über Hunde höre und lese für bare Münze nehme und unbesehen akzeptiere, sondern nach wie vor eher ein Fragender und Forschender geblieben bin.

  

2. Halter, Züchter und Schlittenhundesportler

Im Jahre 2009 feierte der Schweizerische Klub für nordische Hunde (SKNH) sein 50-jähriges Beste­hen. Zu diesem Anlass verfasste ich einen Artikel mit dem Titel "Lang, lang ist es her", in dem ich nicht nur auf die Geschichte der ersten Jahre dieses Klubs eingehe, sondern auch schildere, wie ich auf den Hund, genauer auf den nordischen Hund gekommen bin.

 

So ist dort zu lesen, dass ich als lebendes "Souvenir" meines Jahres als Austauschstudent am Colorado College in den USA, einen Siberian Husky Welpen mitbrachte, eine Hündin na­mens „Arctica of Baltic“.

„Arctica“ als Junghund  

"Arctica"  als erwachsene Hündin


Ich ahnte damals nicht, welche Lebensentscheidung ich mit dem Kauf dieses schwarz-weis­sen, blauäugigen „Schnüggels“ getroffen hatte. Heute, rund 60 Jahre später, weiss ich es! 

 

„Arctica“ spielte sogar eine zentrale Rolle für meine Ehe: Das Zoologische Institut der Universität Bern veranstaltete nämlich am 5. Juli 1969 eine Grillparty an der Sense und ich entschloss mich, meinen Siberian Husky mitzunehmen. Dort interessierte sich die hübsche Zoologiestudentin Rosemarie Schumacher sehr für meine vierbeinige Begleiterin – und weniger für mich…Das kam offenbar später, und seither gehen wir beide durch dick und dünn zusammen durchs Leben.

 

„Arctica“ wurde im ersten Lebensjahr nach allen Regeln der Kunst zum Schlittenhund ausgebildet. In der Tat, war sie später einige Zeit sogar Leithündin meines Gespanns und zusammen waren wir damals recht erfolgreich an den Schlittenhunderennen. 

Das Gespann, mit dem ich 1967 das Rennen am int. Schlittenhundelager des SKNH gewann. Leithündin ist „Arctica“

Bald keimte auch der Wunsch auf, diese Hündin mit dem einzigen ebenso schwarz-weissen, blauäugigen Siberian Husky Rüden in der Schweiz, „Manuk v. Nordpol“, zu decken und junge Siberians aufzuziehen. Das Ergebnis durfte sich dann wirklich auch sehen lassen:


Kamtschatka’s Boryslav, Burning Daylight, Babouchka und Balalaika, der glückliche Züchter und die stolze Mutter, 1966.

Dieselbe Paarung wiederholte ich im Jahre 1968. Ein Jahr vorher, also 1967 hatte ich die erste rote Siberian Husky Hündin Europas („Innisfree’s Red Riding Hood“) importiert, nicht zuletzt, um der Vorstellung, der Siberian Husky müsse schwarz-weiss sein und blaue Augen besitzen, entgegenzuwirken. Und um die Leistungsfähigkeit der Hunde aus meiner Zucht zu verbessern, importierte ich 1970 den Rüden „Alaskans Nicholas of Anadyr“, der für mich, damals wie heute, die Rasse in idealer Weise verkörperte und den ich mehrmals zur Zucht einsetzte. Der Ankauf der Hündin „Klondike’s Miss Belinda“, auch aus der Anadyr-Linie, galt demselben Zweck. Eine Weile besass ich auch die Grönlandhündin „Chouia“, welche ich aber nie zur Zucht einsetzte. In den Jahren, die wir gemeinsam verbrachten, gestattete sie mir viele Einblicke in den Charakter dieser Rasse und erlaubte mir so - in Grenzen - den Grönlandhund mit dem Siberian Husky zu vergleichen.

„Alaskan’s Nicholas of Anadyr“

„Arctica“ hatte einen Wurf mit „Nicholas“ (1971), „Innisfree’s Red Riding Hood“ zwei (1970, 1972), „Belinda“ einen (1974) und die Töchter „Jewel“ und „Gorjanka“ wurden je einmal mit ihrem Vater „Nicholas“ verpaart (Übersicht Kamtschatka Zucht).

 

Die Gedanken, die ich mir beim Aufbau meiner Zucht machte, die Ziele, die ich mir setzte und die Strategie, die ich wählte, um dorthin zu kommen, schildere ich ausführlich im Referat "Die Anforderungen an einen Zuchthund" im Rahmen der Kurse zur Ausbildung von Züchtern der SKG. (Zur Power-Point-Version des Vortrages mit vielen zusätzlichen Bildern kommt man über diesen Link: Die Anforderungen an einen Zuchthund 2014, ppt-Version.)Meine Zuchtstation befand sich zuerst in Rüfenacht auf dem Gelände der Ethologischen Station, später auf dem Gelände der Ethologischen Station Hasli am Wohlensee und zuletzt auf dem Gelände eines Bauernhauses, das ich in Oltigen mieten konnte.

Meine Siberian Husky Zuchtanlage in Oltigen. Sie war von A bis Z von mir selbst gebaut worden. 

 Vom Jahre 1964 bis zum Jahre 1985 nahm ich wettkampfmässig an vielen Schlittenhunderennen im In- und Ausland teil. Obwohl auch ich und meine Hunde hie und da zuoberst auf dem Podest standen, war mir die sportliche Betätigung mit meinen Vierbeinern, die spannende Aufgabe, aus mehreren Einzelpersönlichkeiten ein Team zu formen und damit gemeinsam in winterlicher Landschaft die Tücken einer Piste zu meistern, stets viel wichtiger, als ein Sieg. 

In diesem Gespann aus dem Jahre 1971  laufen „Nicholas“ und fünf seiner Töchter, sowie die Hündin „Belinda“

In diesem Kamtschatka-Gespann 1978 in Le Brassus laufen "Nicholas", sechs seiner Töchter, ein Sohn und "Belinda"
In diesem Kamtschatka-Gespann 1978 in Le Brassus laufen "Nicholas", sechs seiner Töchter, ein Sohn und "Belinda"

Eines meiner letzten Rennen. Im Gespann laufen 8 Nachkommen von „Nicholas“, dazu „Ptiza Gora’s Oyrak“ und „Klondike’s Belinda“

Ich werde oft gefragt, warum ich mit der Haltung und der Zucht von Siberian Huskies aufgehört habe. Dafür gibt es viele Gründe. Drei seien hier speziell genannt:

1. Der Mietvertrag im Bauernhaus in Oltigen wurde nicht mehr erneuert und ich fand keine brauchbare Lösung für den Umzug und Neuaufbau meiner Zuchtanlage.

2. Ich erhielt die Stelle eines Chefs der Sektion Artenschutz im Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV), was mir keine Zeit mehr liess, ein solch aufwendiges Hobby seriös auszuüben.

Und 3. unsere Tochter wurde geboren, was die Prioritäten in meinem Leben leicht durcheinanderwirbelte…

So wohnten denn meine Tiere als Pensionäre, versorgt durch mich, noch einige Jahre in einer abgetrennten Anlage eines Tierheims in der Nähe unseres neuen Wohnorts, wurden regelmässig von mir trainiert, und wenn immer sich die Gelegenheit bot, unternahmen wir weiterhin gemeinsame Schlittenfahrten. Aber allmählich forderte das Alter meiner Tiere seinen Tribut und so starb denn mein letzter Siberian Husky im Jahre 2000. Was uns noch blieb, war unser Haushund „Anoja“, ein Katalanischer Schäferhund (gos d'atura català), der noch bis 2004 unser Leben teilte, und mit 14 Jahren starb. 

Anoja

Aber nur wenige Jahre verbrachten wir hundelos. Schon 2007 kam mit „Björn vom Nussbaumersee“, einem Norwegischen Buhund, wiederum ein Vierbeiner in unsere Familie.

Björn 

 

3. Klubfunktionär, Vereinstätigkeiten, Ausstellungsrichter und anderes

Im Jahre 1968 wurde ich, im zarten Alter von 27 Jahren, Präsident des Schweizerischen Klubs für Nordische Hunde (SKNH) und war wohl damals einer der jüngsten, wenn nicht gar der jüngste Präsident eines schweizerischen Rasseklubs. Im Laufe der Jahre war ich auch Redaktor des Klubmitteilungsblattes des SKNH und Verfasser mancher Artikel darin, Präsident der Sportkommission und Präsident der Zuchtkommission, hie und da übte ich sogar mehrere dieser Funktionen gleichzeitig aus, wenn gerade Not am Mann oder an der Frau war. Bei der Schweizerischen Kynologischen Gesellschaft (SKG) liess ich mich zum Ausstellungsrichter für nordische Hunde ausbilden. Zu meinen Lehrern (und Examinatoren) gehörten damals unter anderen Prof. Eugen Seiferle und Dr. h. c. Hans Räber. Seit dem 12. März 1971 bin ich demnach FCI Ausstellungsrichter für 24 nordische Hunderassen und habe dieses Amt an vielen Hundeausstellungen in den folgenden Ländern ausgeübt: Schweiz, Österreich, Italien, Frankreich, Deutschland, Luxembourg, Belgien, Holland, Dänemark, Norwegen, Finnland, Schweden und England. Wenn ich nordische Hunde richte, so achte ich vorrangig auf ein standardkonformes Erscheinungsbild („Typ“), vor allem aber auch auf einen leistungsfähigen Körperbau, gutes Gangwerk und gute Bewegung, was für diese nordischen Arbeitshunderassen zentral ist. 

Richter an einer Klubschau in Holland, zusammen mit der berühmten Natalie Norris (Kennel "of Anadyr", Alaska, USA)

Für mich war es eine besondere Ehre, als ich von der SKG angefragt wurde, ob ich den Kurs „Grundlagen des Verhaltens“, als Nachfolger von Prof. Seiferle, an den Ausbildungskursen für Ausstellungsrichter durchführen würde. Und das tue ich noch heute. Eine Weile war ich Mitglied der von der Fédération Cynologique Internationale FCI ins Leben gerufenen Schlittenhundekommission, welche, obwohl wir mit viel Elan und guten, konstruktiven Ideen aufwarteten und dem Zentralvorstand der FCI regelmässig Bericht erstatteten und unsere Vorschläge und Anträge unterbreiteten, nie recht an Fahrt gewann. Der Zentralvorstand der FCI reagierte nämlich nie auf unsere Eingaben, besprach unsere Anträge und Vorschläge nie an seinen Sitzungen und auf irgendwelche Spesenentschädigung warten wir noch heute. So ist diese Sache dann eingeschlafen. Im Jahre 1984 wurde ich in den Zentralvorstand der SKG gewählt, musste aber auf Geheiss des damaligen Direktors des BVET 1985 aus diesem Gremium wiederum austreten, weil er – richtigerweise – vor Interessenskonflikten warnte. Ja, es gab fürwahr Zeiten, wo ich vor lauter Vereinsämtern und -tätigkeiten mich kaum mehr meinen eigenen Hunden widmen konnte – und so kam der Moment, wo ich mich entschloss, mich radikal von diesen Ehrenämtern und Funktionen zurückzuziehen, um mich wieder meinen eigenen Interessen und meinen Hunden zu widmen.

 

Erst kurz vor dem Pensionsalter, im Jahre 2004, stieg ich noch einmal, auf Wunsch von Otto Rauch, dem damaligen Leiter des Arbeitsausschusses „Zuchtförderung und Zuchtenwicklung“ (AA ZF/ZE) und Peter Rub, dem Präsidenten der SKG, in die Vereinskynologie ein, liess mich beim BVET teilpensionieren und wurde – in Teilzeit – Leiter der „Fachstelle Zuchtförderung und Zuchtentwicklung“ auf der SKG Geschäftsstelle. Neben vielem anderem unterstützte ich in dieser Funktion – mit Hilfe des wissenschaftlichen Beirates der SKG – diverse Rasseklubs bei ihren Anstrengungen zur Verbesserung ihrer Zucht, insbesondere in Bezug auf Gesundheitsaspekte, erreichte den Abschluss einer Vereinbarung zwischen dem BAFU (und dessen Zentrum für Herdenschutzhunde an der AGRIDEA), der SKG und den betreffenden Rasseklubs zur Regelung der Zucht von im Einsatz stehenden Herdenschutzhunden in der Schweiz, war Mitglied des „Arbeitsausschusses Zuchtförderung und Zuchtentwicklung“ und des „Arbeitsausschusses Verhalten“ (AAV), war mitbeteiligt an der Entwicklung der Richtlinien für eine Kör-Verhaltensbeurteilung (KVB) und dem Ausbildungskonzept für SKG Wesensrichter, beteiligte mich, im Rahmen des Projektes 125, an der Revision der Zuchtbestimmungen der SKG und – bis heute - an den Ausbildungen für Züchter und für SKG Wesensrichter. Im Frühjahr 2009 teilte man mir von Seiten der SKG mit, dass mein Vertrag nicht mehr erneuert werde und das bedeutete das Ende dieser Geschichte.

 

4. Wissenschaftliche Tätigkeit

Als „Arctica“ 1966 ihre ersten Welpen gebar, war ich, als Ethologiestudent, sogleich fasziniert, von dem, was sich da ereignete. Gebannt begann ich alles, was sich von Moment der Geburt an vor mir abspielte, intensiv zu beobachten und zu protokollieren. Ich ass und schlief kaum mehr, so zog mich dieses Geschehen in seinen Bann. Erstaunt stellte ich fest, dass es praktisch keine neueren wissenschaftlichen Studien zur Verhaltensentwicklung und zur Mutter-Kind-Beziehung bei Hundewelpen gab. Neben einigen kleineren Arbeiten zu Einzelaspekten gab es bloss eine Arbeit von Baege aus dem Jahre 1933 (Beobachtung von 5 Bastardwelpen) und eine andere von dem Ehepaar Menzel aus dem Jahre 1937 an Boxern (ohne nähere Angaben). Zudem hatten Scott und Marston 1950 zwei Artikel zum Thema der Verhaltensentwicklung beim Haushund veröffentlicht, basierend auf 10-minütigen, täglichen Beobachtungen und zusätzlichen Beobachtungen beim wöchentlichen Wägen. Angaben zur Verhaltensentwicklung beim Haushund fanden sich natürlich auch in der heute fast als „Klassiker“ geltenden Publikation von Scott und Fuller (1965) zum allgemeinen Thema der Vererbung von Verhaltensmerkmalen beim Haushund ("Genetics and the Social Behavior of the Dog"). Bald schon stellte ich allerdings fest, dass, insbesondere in den älteren Publikationen, Dinge standen, die meinen Beobachtungen in keiner Weise entsprachen. Es schien mir deshalb an der Zeit, wiederum eine sorgfältige, ethologische Darstellung und Analyse der Verhaltensentwicklung bei Hundewelpen – repräsentiert durch die Rasse Siberian Husky – auf der Basis neuesten Wissens und neuester Methodik durchzuführen, dabei die Veränderungen der Mutter-Kind Beziehung, der Beziehung zum Geschwister und zur Umgebung (der „Umwelt“ i. S. von Von Uexküll) mit einzubeziehen. Prof. Beat Tschanz, der damalige Inhaber des Lehrstuhls für Ethologie an der Universität Bern, erklärte sich bereit, diese Arbeit zu betreuen und unterstützte mich nachhaltig, nicht zuletzt auch durch die zur Verfügungstellung einer Zuchtanlage an der Ethologischen Station. Wir beide ahnten wohl im Jahre 1966 nicht, auf was wir uns da einliessen. Hunde vermehren sich nicht wie Ratten und Mäuse, haben also nicht alle paar Wochen wieder Nachkommen. Wildhunde haben eine Fortpflanzungszeit pro Jahr und werfen ein Mal pro Jahr einige Welpen. Dazu kommt, beim Rassehund, dass die Reglemente es verbieten, mehr Würfe pro Jahr von derselben Hündin aufzuziehen. Schon also um die erforderliche Anzahl „Untersuchungsobjekte“ (= Würfe und Welpen) zu erreichen, waren Jahre nötig. Pro Wurf – so zeigte es sich bald – sammelte sich jeweils so viel Protokoll- und Dokumentationsmaterial an, dass es immer wieder Monate dauerte, um alles auszuwerten und die Fortsetzung der Arbeit zu planen. Es erstaunt unter diesen Umständen nicht, dass ich meine Lizentiatsarbeit „Die Entwicklung des Verhaltens beim Siberian Husky, einer Schlittenhunderasse, in den 10 ersten Lebenswochen“ erst 1973 und meine Dissertation „Die Welpenentwicklung beim Siberian Husky“ erst 1982 abschloss. Diese Dissertation umfasst rund 500 dicht geschriebene Textseiten, über 140 Abbildungen und das Literaturverzeichnis beinhaltet über 250 wissenschaftliche Publikationen (s. dazu auch die Seite Aktuelles). Ich kann wohl sagen, dass ich alles, was über mein Forschungsthema bis zu diesem Zeitpunkt veröffentlicht worden war, berücksichtigt und verinnerlicht hatte. Kam dazu, dass die wissenschaftliche Erforschung des Verhaltens von Wildcaniden und Haushunden damals eine wahre Blütezeit erlebte. Wir, die wir uns damit in Europa beschäftigten, waren freundschaftlich miteinander verbunden, tauschten unsere Gedanken aus, trafen uns immer wieder an Tagungen und Kongressen und profitierten voneinander. Ich denke da insbesondere an Dorit Feddersen-Petersen, Erik Zimen (verstorben am 11. Mai 2003), Rüdiger Wandrey und Detlev Eisfeld. Aber auch die rege Aktivität unserer Kollegen jenseits des Atlantiks (Scott, Fuller, Fox, Bekoff, Mech, Klinghammer u.a.) war uns natürlich bestens bekannt. Als ich am Zoologischen Institut der Universität Basel über meine Arbeit berichten durfte, machte ich auch die persönliche Bekanntschaft mit Prof. Rudolf Schenkel, der mit seiner Dissertation „Ausdrucksstudien an Wölfen“ als einer der ersten systematische Studien über das Ausdrucks- und Kommunikationsverhalten von Wölfen veröffentlicht hatte. Kurz nachdem er sein erstes Buch „Mit dem Hund auf Du“ veröffentlicht hatte, traf ich mich auch mit Eberhard Trumler auf seiner „haustierkundlichen Forschungsstelle“ Grubmühle, begleitet von meiner Lebensgefährtin Rosemarie, Prof. Tschanz und einer Studienkollegin, die mit Camargue-Pferden arbeitete. Unser Eindruck dort war mehr als zwiespältig. Und mehr möchte ich dazu nicht sagen. 

 

Gerade diese zuletzt geschilderte Episode lässt erahnen, wie anregend das Ethologiestudium damals in Bern war. Ich befasste mich nicht nur mit dem Verhalten von Haushunden. An der Ethologischen Station Hasli wurden auch Untersuchungen an Haselmäusen, Meerschweinchen, Eichhörnchen, Murmeltieren, Kaninchen, Hauskatzen, Steinböcken, Gämsen, Kühen, Schafen, Eseln, Pferden, Hühnern, Krähen, Teichhühnern, Haubentauchern, nordischen Alkenvögeln, Stichlingen, Buntbarschen und anderen Tieren durchgeführt. An unseren Kolloquien und Seminaren wurden die Forschungsergebnisse - auch von Gastreferenten von anderen Universitäten - jeweils mit kritischem Blick jedoch stets in konstruktiver Absicht diskutiert und wir befassten uns in all den Jahren fortwährend und eingehend stets mit der neuesten Grundlagenliteratur und den aktuellsten wissenschaftlichen Theorien und Denkansätzen auf dem Gebiet der Verhaltensforschung. Welch ein Unterschied zu denjenigen, die sich heute als „Ethologen“ oder „Tierpsychologen“ bezeichnen, nachdem sie während einigen Stunden oder Wochen irgend einen Schnellkurs oder gar einen Fernkurs absolviert haben!

 

Während meiner Forschungstätigkeit, aber auch danach veröffentlichte ich immer wieder Artikel zum Thema der Verhaltensentwicklung beim Hund, hielt Vorlesungen und Vorträge an Tagungen, Kongressen und Universitäten im In- und Ausland (u.a. in Kiel, Bochum und Cambridge) sowie bei Rassehundeklubs. Damals – und so lange ist es gar nicht her – gab es weder PCs noch Laptops, weder Word noch Power Point. Man musste sich mit einem Hellraumprojektor (wenn überhaupt) und einem Diaprojektor begnügen. Für meine Referate war jedoch ein ca. 40 minütiger 16 mm Film das pièce de résistance, was bedeutete, dass ich – einem Wanderkino gleich - nicht nur jedes Mal meine Filmrolle, sondern auch noch den Projektor, eventuell sogar eine Leinwand mitschleppen und alles einrichten musste.

 

Weder die Lizentiatsarbeit (enthaltend 76 Fotos) noch die umfangreiche Dissertation wurden je in grösserer Zahl gedruckt und veröffentlicht. Der Aufwand - und die Kosten - waren für mich damals einfach zu gross. Einzelne Exemplare wurden an die schweizerische Nationalbibliothek und die Universitätsbibliothek Bern abgegeben und konnten dort ausgeliehen werden. Zweifellos ist der Inhalt immer noch aktuell, denn meine Dissertation (und auch die Lizentiatsarbeit) wird bis heute immer wieder in den Literaturverzeichnissen naturwissenschaftlich ausgerichteter kynologischer Literatur erwähnt. Bis zum heutigen Tag sprechen mich auch immer wieder Hundehalter, Züchter und allgemein kynologisch Interessierte auf diese Arbeiten an und erkundigen sich, ob und wo sie ein Exemplar erhalten könnten. Leider musste ich sie bisher immer wieder darauf hinweisen, dass ich ihnen aus den genannten Gründen kein Exemplar zustellen konnte. Das alles hat glücklicherweise ein Ende ! Im EDV Zeitalter habe ich endlich eine Lösung gefunden, um dieses umfangreiche Material zur Thematik der Verhaltensentwicklung beim Haushund einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen: Sowohl die 500-seitige Dissertation, wie die 114 Seiten umfassende Lizentiatsarbeit mit den über 70 Fotos ist jetzt, mit zusätzlichem "Bonusmaterial", auf einer CD erhältlich, welche bei mir für 45.- Fr bezogen werden kann (s. dazu auch Seite "Aktuelles"). 

 

Als ich mit der Forschungstätigkeit begann, sagte ich meinem „Doktorvater“ Prof. Tschanz, es gehöre auch zu meinen Zielen, etwas zu erarbeiten, das gewissermassen als Standardwerk für ähnliche Arbeiten zur Welpenentwicklung bei anderen Hunderassen und damit als Ausgangspunkt für eine Reihe weiterer ähnlicher Untersuchungen dienen könnte. Ich erinnere mich noch heute an seinen ungläubigen, leicht spöttischen Blick. Aber ich sollte Recht behalten. Mehrere Untersuchungen zur Verhaltensentwicklung bei anderen Hunderassen sind seither veröffentlicht worden, welche meine Untersuchung als Ausgangspunkt und Modell benutzten und dann auch die Ergebnisse, die an Welpen anderer Hunderassen gewonnen wurden, mit denjenigen verglichen, die von meinen Siberian Husky Welpen stammten. Ich selbst habe meine Resultate u.a. mit denjenigen verglichen, die Erik Zimen für seine Pudel und Wölfe veröffentlicht hatte und habe darüber unter dem Titel „Die Ontogenese bei Haus und Wildhunden“ 1979 referiert und publiziert.

 

Trotz der zeitlichen Beanspruchung durch meine Forschung, mit den umfassenden Beobachtungen, der Durchführung von Versuchsreihen, den Protokollierungen, und der Auswertung und Dokumentation, hätte es in den vielen Jahren doch auch hie oder da eine tote Phase gegeben, wenn ich diese nicht als eigentlicher „Werkstudent“ ebenfalls gut genutzt hätte. So arbeitete ich, wie in meinem Lebenslauf dargestellt, neben dem Studium teilzeitlich als Hilfslehrer für Biologie an diversen Mittelschulen und als Assistent am zoologischen Institut. Von 1971 bis 1981 war ich ausserdem Kurator für die Sammlungen der Albert Heim Stiftung am Naturhistorischen Museum Bern, ebenfalls mit einem Teilzeitpensum. Unter vielem anderen schuf ich dort, zusammen mit meinem Kollegen Marc Nussbaumer und dem Grafiker Claude Kuhn eine spektakuläre Wanderausstellung zum Thema „Vom Torfhund zum heutigen Rassehund“, welche nicht nur im Naturhistorischen Museum Bern, im Kornhaus Bern und an der Welthundeausstellung 1979 in Bern, sondern auch am Internationalen Konrad Lorenz Symposium zur Mensch-Tier-Beziehung 1983 in Wien, an einer Tagung der Gesellschaft für Säugetierkunde in Zürich und an vielen anderen Orten und Gelegenheiten im In- und Ausland gezeigt wurde und auf grosses Interesse stiess. Die Firma EFEMS liess sogar eine Kopie der ganzen Ausstellung herstellen und zeigte diese an zahlreichen internationalen Hundeausstellungen. Dass ich mich, neben der Beschäftigung mit dem Verhalten des Haushundes auch noch sehr mit der Thematik seiner Herkunft und Domestikation auseinandersetzte, hatte nicht nur mit meiner Arbeit im Naturhistorischen Museum Bern zu tun, sondern auch damit, dass mir Prof. Walter Huber, der damalige Direktor dieses Museums und Examinator an meiner Lizentiatsprüfung, die Domestikation als Examensstoff gab. Als Folge davon kann ich das entsprechende Standardwerk von Herre und Roehrs „Haustiere – zoologisch gesehen“ auch heute noch fast auswendig…

 

Zu jener Zeit – das genaue Jahr entzieht sich meiner Kenntnis – wurde ich auch in den Stiftungsrat der Albert Heim Stiftung gewählt, an dessen Sitzungen ich heute - als Beisitzer - immer noch teilnehme, und habe als Mitglied dieses Gremiums beigetragen, dass viele wissenschaftliche Forschungsarbeiten am Haushund in der Schweiz finanziell unterstützt werden konnten. Weil ich von meinen Literaturrecherchen wusste, dass es früher einmal eine „Zeitschrift für Hundeforschung“ gegeben hatte, schlug ich dem Stiftungsrat im Jahre 1979 vor, doch eine „Zeitschrift für wissenschaftliche Kynologie“ zu schaffen, welche dem Fachorgan der SKG „Schweizer Hundesport (heute: „HUNDE“) beigelegt werden könnte. Diese Idee stiess auf Zustimmung und zusammen mit Dr. Hans Räber war ich mehrere Jahre als Redaktor für diese wissenschaftliche Beilage tätig. Es gibt sie übrigens noch heute unter dem veränderten Titel „Wissenschaftliche Beilage der Albert Heim Stiftung“ und es werden dort vorwiegend die Ergebnisse der von der Stiftung unterstützten Forschungsprojekte veröffentlicht.

 

Mit Abschluss meiner Dissertation endete meine Tätigkeit an der Ethologischen Station Hasli nicht, sondern trat in eine neue Phase ein. Ich erhielt die Gelegenheit als Oberassistent weiter zu arbeiten, Seminarien, Kolloquien und Praktika zu leiten, Vorlesungen zu halten und Lizentiatsarbeiten jüngerer Kollegen zu betreuen. Dabei begann ich mich intensiv für das aufstrebende Forschungsgebiet der Mensch-Heimtier-Beziehung zu interessieren und zu spezialisieren, studierte die entsprechenden Publikationen, betreute wie erwähnt, Forschungsarbeiten zu diesem Thema, veröffentlichte selbst Artikel dazu und hielt Referate und Vorlesungen zu diesem faszinierenden neuen Gebiet an Universitäten und Kongressen. Jährlicher Höhepunkt in dieser Beziehung war jeweils die internationale Tagung zur Mensch-Tier-Beziehung („International Conference on the Relationship between Humans and Animals“), an welcher ich mehrmals teilnahm und dort auch referierte. Ich lernte einen weiteren Kreis höchst interessanter Wissenschaftler kennen, welche in diesem Gebiet tätig waren (z. B. Bruce Fogle, James Serpell, Peter Messent, Roger Mugfort, Reinhold Bergler, Dennis Turner) und stellte mir vor, dass es eine Möglichkeit gäbe, innerhalb der Ethologischen Station, ev. in Verbindung mit dem psychologischen Institut der Universität Bern (ich hatte ja Psychologie im Nebenfach studiert), diesen Forschungszweig zu etablieren. Ich dachte an Themen wie „Kinder und Heimtiere“, „Ältere Menschen und Heimtiere“, „Das Heimtier in unserer Gesellschaft“ „Ausbildung von Tieren“ und viele andere. Angeregt durch Beispiele aus dem Ausland und nach dem Vorbild einiger der genannten Kollegen, dachte ich auch daran, das Gebiet der Verhaltenstherapie von Heimtieren zur Lösung von Mensch-Heimtier-Problemen in meine wissenschaftliche Arbeit zu integrieren und war während kürzerer Zeit sogar als Verhaltenstherapeut tätig. Leider fanden meine Pläne im universitären Umfeld kein Interesse. Insbesondere bestand kein Interesse zur Schaffung einer solchen Forschungsrichtung innerhalb des Zoologischen Instituts Bern und – damit verbunden - der Einrichtung der Stelle eines Leiters einer solchen Arbeitsgruppe. Bis heute gibt es keinen offiziellen und vollamtlichen Lehrstuhl für dieses so gesellschaftsrelevante Sachgebiet an einer schweizerischen Universität. (Dank den freundschaftlichen Beziehungen zu meinen früheren Kollegen war es mir übrigens fast 20 Jahre später möglich James Serpell, Dorit Feddersen, Reinhold Bergler und andere für ein Referat am wissenschaftlichen Kongress im Rahmen der 125 Jahr Jubiläumsfeierlichkeiten der SKG am 22. November 2008 zu gewinnen.)

 

Es erstaunt deshalb nicht, dass ich in dieser Situation 1985 mit Freude und Elan die mir gebotene Möglichkeit, als Leiter der Sektion „Artenschutz“ im Bundesamt für Veterinärwesen einzusteigen, ergriff und bis heute in keiner Weise bereue. Aber auch am neuen Wirkungsfeld wurde ich immer wieder als Hundefachmann zu Rate gezogen. So etwa bei Kontrollen von Hundehaltungen durch die kantonalen Tierschutzbeauftragten, bei der Ausbildung von kantonalen Behörden (insbes. Kantonsveterinären), bei der Ausarbeitung von Richtlinien zur Hundehaltung (u.a. leitete ich eine Expertengruppe zur Schaffung von „Richtlinien für den tiergerechten Umgang mit dem Hund“), bei der Ausbildung von zukünftigen Tierärzten (Vorlesung „Haltung und Verhalten des Hundes“ bei Prof.A. Steiger [Abteilung für Tierschutz]) usw.